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Phytec etabliert Lösungsansätze für die weiterhin schwierige Marktlage. 

Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen der westlichen Staaten gegen Russland könnten die ohnehin noch nicht überstandene Chipkrise verschlimmern: Die Ukraine exportiert Neongas, Russland das Rohmaterial Palladium. Beide Stoffe kommen in der Herstellung von Mikrochips zum Einsatz. Weitere Lieferketten und Transportwege sind beeinflusst oder unterbrochen.

Chipkrise

In dieser schwierigen Lage erreichen uns regelmäßig Anfragen von Kunden, was die Lieferfähigkeit von Phytec betrifft. Marcus Lickes, Entwicklungsleiter bei Phytec, informiert über die Maßnahmen von Phytec.

Sie interessiere sich für die Hintergründe der Halbleiterkrise? Hier geht es direkt zur Infographik.

Herr Lickes, inwieweit ist Phytec betroffen von der aktuellen Krise?

Sehr weit. Die Beschaffungskrise betrifft im Prinzip jede Baugruppe, die wir fertigen. Nicht alle in gleichem Ausmaß zwar, aber es gibt eigentlich aktuell keine Elektronikbaugruppe auf der Welt, die nicht betroffen ist. Um das zu verstehen, muss man etwas tiefer einsteigen und verstehen, wo die Engpässe entstehen.

So stellt man schnell fest, dass die gesamte Produktions- und Lieferkette betroffen ist. Es fängt bei den Rohstoffen an, geht über die Wafer bis hin zu Fertigungs- und Testkapazitäten. Selbst wenn die Halbleiterhersteller also das Basis-Material bekommen, müssen sie freie Fertigungskapazitäten finden. Hersteller mit eigenen Fabs sind hier erstmal besser dran, aber auch deren Fabs sind vollkommen überlastet. So erklärt es sich, dass es kaum wirklich problemlos zu beschaffenden Bauteile gibt.

Besonders kritisch sind natürlich alle Komponenten, die direkt in boomende Märkte gehen, da hier die Bedarfe extrem gestiegen sind. Bauteile mit wenigen bis gar keinen Second-Sourcen sind ebenfalls sehr kritisch. Neben den üblichen „Verdächtigen“ wie Speicherbausteine, sind dann auch bestimmte Prozessoren sowie „Allerweltsbauteile“ wie für die Ethernet-Schnittstelle betroffen.  

Und wie erhält Phytec die Versorgung mit kritischen Bauteilen aufrecht? Welche Schritte werden unternommen, wenn ein Bauteil nicht zu bekommen ist?

Als uns klar wurde, wie weitreichend und langwierig die Chipkrise und die Beeinflussung nahezu aller Lieferketten sein würde, haben wir eine Task Force gebildet, die unter anderem die folgenden Lösungsbereiche identifiziert hat:

  • Enge Lieferantenbeziehungen
  • Intensiver Kundenkontakt
  • Flexible Produktdesigns und Stücklisten
  • Transparente Preispolitik
  • Konsequente Konzentration auf neuste Bauteilgenerationen

Können Sie uns mehr zu den verschiedenen Lösungsansätzen erzählen?

Sehr gerne. Als global tätiges Unternehmen kauft Phytec auch global ein. Die engen Kontakte zu vielen großen Halbleiterherstellern helfen, unsere Bedarfe an den richtigen Stellen zu adressieren. Wenn irgendwo auf der Welt Material frei wird, stehen die Chancen recht gut, dass wir das mitbekommen.

Die zweite wichtige Stellschraube, an der wir drehen können, betrifft die Kunden. Phytec pflegt schon immer einen intensiven Kontakt zu ihren Kunden. Oft sind es über Jahre gewachsenen Vertrauensverhältnisse, die uns gemeinsam Lösungen finden lassen. Die oben erwähnte Task Force erwägt alle möglichen Schritte, um fristgerechte Produktion zu ermöglichen.

Ein banaler, aber sehr wirksamer Hebel ist zum Beispiel die Prüfung, ob ein Kunde ein bestimmtes, kritisches Bauteil tatsächlich in seiner Applikation benötigt oder ob eine Anpassung der Stückliste möglich ist. Die superkritischen Ethernet-Bauteile z. B. werden oft nur verwendet, um in der Fertigung ein Image aufzuspielen. Das kann man ganz oft auch anders lösen. Unsere Entwickler unterstützen den Kunden dabei, diesen Produktionsschritt anders zu erledigen und schon hat man ein kritisches Bauteil weniger in der Stückliste. Natürlich sind auch ein Umstieg auf besser verfügbare Module, der Einsatz von Adapterplatinen oder die kundenseitige Beschaffung von Bauteilen möglich.

Und wenn ein Bauteil nicht entfallen kann?

Ja, so einfach wie teilweise im Fall Ethernet ist es natürlich nicht immer: Oft müssen alternative Lieferanten evaluiert werden (Stichwort Second-Source). Dann passen wir Designs an, stellen Software-Patches zur Verfügung, machen EMV Tests im Labor: Alles mit dem Ziel, dass der Kunde von der Änderung möglichst gar nichts mitbekommt. Wir informieren natürlich, aber vermeiden wo möglich Aufwände beim Kunden. Muss der Kunde doch selbst Anpassungen vornehmen, stehen wieder unsere Entwickler zur Verfügung, um zu unterstützen.

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Sie führen derzeit vermutlich viele Krisengespräche mit Kunden. Wie sind hier Ihre Erfahrungen?

Das sehr gute Verhältnis zu unseren Kunden ermöglicht uns einen sehr offenen Dialog über Mengen und Bedarfstermine. Das ist zwar ein empfindliches Thema, aber eben auch ein wirksamer Hebel. Wie immer in Zeiten schwächelnder Lieferketten neigen viele Firmen dazu, ihre Lagerbestände zu erhöhen. Leider verstärkt das die Krise im Endeffekt nur: Jeder hat Material im Lager, aber keiner alles, was er braucht.

Wir haben in den vergangenen Monaten sehr viele Situationen genau dadurch entschärfen können, dass wir wussten, wann welche Menge wirklich benötigt wird. So offen sind Kunden natürlich nur, wenn sie ihrem Lieferanten so weit vertrauen können, dass sie Sicherheitspuffer in Bezug auf Menge und Zeit offenlegen. Dieses Vertrauen von den Kunden haben wir, denn partnerschaftliches Handeln war schon immer Teil unserer Firmenphilosophie und partnerschaftlich kommt man am besten durch eine solche Zeit.

Diesen Partnerschaftsgedanken leben wir auch beim nächsten Puzzleteil unseres Maßnahmenpakets: unsere Preispolitik. Eine Folge von Bauteilverknappung ist immer eine Preissteigerung der Bausteile. Für uns war von Anfang an klar, dass wir nicht mit pauschalen Preissteigerungen arbeiten, sondern nur die tatsächlich entstandenen Mehrkosten ohne jeden Aufschlag weiterreichen werden. Auch die können aber sehr stark schwanken, je nachdem wie kritisch das Bauteil ist und wie schnell man es benötigt. Und wenn dann mal eine Warenverfügbarkeit auf dem Markt auftaucht, ist oft eine umgehenden Bestellung erforderlich.

Wir können also nicht wegen jeder einzelnen Kaufentscheidung mit Mehrpreis erst unsere Kunden fragen. Aus diesem Grund haben wir einen computergestützten Sonderprozess entwickelt. Unsere Kunden geben uns quartalsweise ein Budget frei, in dessen Rahmen wir Material zu höheren Preisen einkaufen dürfen, um Wunsch-Liefertermine zu realisieren. Die Abrechnung der tatsächlichen Mehrkosten erfolgt dann nachträglich, ebenso quartalsweise. Ein sehr fairer Weg, den unsere Kunden sehr schätzen und der in Kombination mit der Offenlegung der Bedarfstermine enorm hilft, Mehrkosten zu minimieren.

Welche Auswirkungen hat die aktuelle Lage auf Neuentwicklungen?

Viele Firmen finden kaum die Zeit, sich mit neuen Entwicklungen zu beschäftigen. Dafür sind die Aufwände für Umplanungen, Designanpassungen und Beschaffung einfach zu groß in dieser Krise. Und diese wird auch von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich gemanaged. Wir begegnen da sehr restriktiven Sprachregelungen, was Roadmaps und Innovationen angeht, aber auch komplett offener Dialogbereitschaft. Wir schätzen die offene Kommunikation natürlich besonders, denn sie ist ein guter Richtungsgeber für die Zukunft und unsere Entwicklungsplanung. Jede noch wackelige Planung ist besser als gar keine.

Auch auf Bauteilebene beeinflusst die Chipkrise zukünftige Produktplanung. Viele Bauteile werden im Zuge der Krise vom Markt genommen oder die langfristige Verfügbarkeit verschlechtert sich, weil nur noch wenige Fabs den notwendigen Fertigungsprozess anbieten. Hintergrund hier ist, dass viele Fabs früher als geplant auf moderne Prozesse umgestellt werden. Und die neuen Fabs bieten die alten Prozesse nicht mehr an. Also werden diese Bauteile abgekündigt oder es muss mit schlechter Verfügbarkeit gerechnet werden. Daher konzentrieren wir uns konsequenter als früher auf den Einsatz neuster Bauteilgenerationen.

Und merken Sie bereits Auswirkungen durch den Krieg in der Ukraine?

Bei diesem Thema schnürt es mir erstmal den Magen zu. Die humanitäre Krise, die durch die Kriegshandlungen entstanden ist, schockiert. Bei Phytec arbeiten Menschen aus beiden Ländern sowie viele Kollegen aus dem Hauptflüchtlingsziel Polen. Phytec unterstützt alle Mitarbeiter, wo es geht und steht für Demokratie und Menschenrechte ein. Selbstverständlich beteiligen wir uns weitreichend an den Sanktionen gegen Russland. Einen direkten Einfluss auf unsere Lieferketten hat der Krieg aktuell noch nicht. Jedoch liest man ja bereits, das insbesondere die Versorgung mit dem Metall Palladium durch Russland sowie diese mit dem Edelgas Neon aus der Ukraine beeinträchtigt sind. Wir müssen dies weiter beobachten.

Vielen Dank für Ihre Zeit und alles Gute.

Hintergrundinformation: Die Ursachen der Halbleiterkrise

PHYTEC-Infografik-Halbleiterkrise

Die Krise entstand ursprünglich durch eine massiven Verkettung unglücklicher Ereignisse. Während in den Jahren 2018 und 2019 die Nachfrage nach Halbleitern leicht rückläufig war, gab es für 2020 eine positive Prognose.

Dann kam Corona und pandemiebedingt mussten vielerorts Produktionskapazitäten eingeschränkt werden. Gleichzeit veränderte sich die Nachfrage stark: Mehr Büro- und Unterhaltungselektronik, weniger Automobil und Industrie. Die weltweite Produktionsmenge ging erst stark zurück, um sich dann schnell wieder zu erholen.

Zusätzlich geschwächt durch katastrophale Klimaereignisse und die wachsende Knappheit insbesondere von Silizium, kamen Lieferketten massiv ins Straucheln. Von dieser Krise hat sich der Markt bis heute nicht erholt, obwohl insbesondere Halbleiterhersteller intensive Investitionen in ihre Produktionskapazitäten – nicht zuletzt auch in Europa – tätigen. Natürlich wirkt sich nun auch der Krieg in der Ukraine aus.

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Julia Philipp
Von

Vom i.MX 6 zum i.MX 8

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