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Chipkrise und kein Ende

Geschrieben von Julia Philipp | 07 April 2022

Phytec etabliert Lösungsansätze für die weiterhin schwierige Marktlage. 

Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen der westlichen Staaten gegen Russland könnten die ohnehin noch nicht überstandene Chipkrise verschlimmern: Die Ukraine exportiert Neongas, Russland das Rohmaterial Palladium. Beide Stoffe kommen in der Herstellung von Mikrochips zum Einsatz. Weitere Lieferketten und Transportwege sind beeinflusst oder unterbrochen.

In dieser schwierigen Lage erreichen uns regelmäßig Anfragen von Kunden, was die Lieferfähigkeit von Phytec betrifft. Marcus Lickes, Entwicklungsleiter bei Phytec, informiert über die Maßnahmen von Phytec.

Sie interessiere sich für die Hintergründe der Halbleiterkrise? Hier geht es direkt zur Infographik.

Herr Lickes, inwieweit ist Phytec betroffen von der aktuellen Krise?

Sehr weit. Die Beschaffungskrise betrifft im Prinzip jede Baugruppe, die wir fertigen. Nicht alle in gleichem Ausmaß zwar, aber es gibt eigentlich aktuell keine Elektronikbaugruppe auf der Welt, die nicht betroffen ist. Um das zu verstehen, muss man etwas tiefer einsteigen und verstehen, wo die Engpässe entstehen.

So stellt man schnell fest, dass die gesamte Produktions- und Lieferkette betroffen ist. Es fängt bei den Rohstoffen an, geht über die Wafer bis hin zu Fertigungs- und Testkapazitäten. Selbst wenn die Halbleiterhersteller also das Basis-Material bekommen, müssen sie freie Fertigungskapazitäten finden. Hersteller mit eigenen Fabs sind hier erstmal besser dran, aber auch deren Fabs sind vollkommen überlastet. So erklärt es sich, dass es kaum wirklich problemlos zu beschaffenden Bauteile gibt.

Besonders kritisch sind natürlich alle Komponenten, die direkt in boomende Märkte gehen, da hier die Bedarfe extrem gestiegen sind. Bauteile mit wenigen bis gar keinen Second-Sourcen sind ebenfalls sehr kritisch. Neben den üblichen „Verdächtigen“ wie Speicherbausteine, sind dann auch bestimmte Prozessoren sowie „Allerweltsbauteile“ wie für die Ethernet-Schnittstelle betroffen.  

Und wie erhält Phytec die Versorgung mit kritischen Bauteilen aufrecht? Welche Schritte werden unternommen, wenn ein Bauteil nicht zu bekommen ist?

Als uns klar wurde, wie weitreichend und langwierig die Chipkrise und die Beeinflussung nahezu aller Lieferketten sein würde, haben wir eine Task Force gebildet, die unter anderem die folgenden Lösungsbereiche identifiziert hat:

  • Enge Lieferantenbeziehungen
  • Intensiver Kundenkontakt
  • Flexible Produktdesigns und Stücklisten
  • Transparente Preispolitik
  • Konsequente Konzentration auf neuste Bauteilgenerationen

Können Sie uns mehr zu den verschiedenen Lösungsansätzen erzählen?

Sehr gerne. Als global tätiges Unternehmen kauft Phytec auch global ein. Die engen Kontakte zu vielen großen Halbleiterherstellern helfen, unsere Bedarfe an den richtigen Stellen zu adressieren. Wenn irgendwo auf der Welt Material frei wird, stehen die Chancen recht gut, dass wir das mitbekommen.

Die zweite wichtige Stellschraube, an der wir drehen können, betrifft die Kunden. Phytec pflegt schon immer einen intensiven Kontakt zu ihren Kunden. Oft sind es über Jahre gewachsenen Vertrauensverhältnisse, die uns gemeinsam Lösungen finden lassen. Die oben erwähnte Task Force erwägt alle möglichen Schritte, um fristgerechte Produktion zu ermöglichen.

Ein banaler, aber sehr wirksamer Hebel ist zum Beispiel die Prüfung, ob ein Kunde ein bestimmtes, kritisches Bauteil tatsächlich in seiner Applikation benötigt oder ob eine Anpassung der Stückliste möglich ist. Die superkritischen Ethernet-Bauteile z. B. werden oft nur verwendet, um in der Fertigung ein Image aufzuspielen. Das kann man ganz oft auch anders lösen. Unsere Entwickler unterstützen den Kunden dabei, diesen Produktionsschritt anders zu erledigen und schon hat man ein kritisches Bauteil weniger in der Stückliste. Natürlich sind auch ein Umstieg auf besser verfügbare Module, der Einsatz von Adapterplatinen oder die kundenseitige Beschaffung von Bauteilen möglich.

Und wenn ein Bauteil nicht entfallen kann?

Ja, so einfach wie teilweise im Fall Ethernet ist es natürlich nicht immer: Oft müssen alternative Lieferanten evaluiert werden (Stichwort Second-Source). Dann passen wir Designs an, stellen Software-Patches zur Verfügung, machen EMV Tests im Labor: Alles mit dem Ziel, dass der Kunde von der Änderung möglichst gar nichts mitbekommt. Wir informieren natürlich, aber vermeiden wo möglich Aufwände beim Kunden. Muss der Kunde doch selbst Anpassungen vornehmen, stehen wieder unsere Entwickler zur Verfügung, um zu unterstützen.