Elektromobilität ist die Zukunft – und erfordert einen schnellen Ausbau der Lade-Infrastruktur. In einem gemeinsamen Projekt haben Phytec und Pionix für den Kunden Qwello in nur 6 Monaten eine individuelle Elektronik für Ladesäulen entwickelt. Daraus entstand der universelle Ladecontroller phyVERSO-EVCS, der nun auch weiteren Kunden zur Verfügung steht.
Dieser Fachartikel ist erschienen in der Markt & Technik 16/2024
Controller für Ladesäulen müssen typische Anforderungen erfüllen, vom Energie- und Lastmanagement über die Kommunikation mit dem Fahrzeug bis hin zu Mechanismen für Benutzeridentifikation und Abrechnung. Hinzu kommen Vernetzung und Fernwartung, Update-Fähigkeit und Security-Funktionen. Diese Anforderungen unterscheiden sich jeweils nur wenig. Gleichzeitig gibt es Ladesäulen mit AC- und DC-Ladetechnologie sowie kombinierte Systeme und Megawatt-Charging. Außerdem verschaffen sich Anbieter von Ladesäulen einen Marktvorteil, wenn sie neue, innovative Funktionalitäten integrieren, mit denen sie sich vom Wettbewerb differenzieren. Das Ergebnis für die Produktentwicklung: Elektroniken von der Stange können die Anforderungen in der Regel nicht ausreichend erfüllen. Komplette Neuentwicklungen sind aber zeit- und kostenintensiv.
Aus Partnerprojekt entstanden
Für diese Herausforderung hat Phytec gemeinsam mit dem Partner Pionix nun erstmals eine Elektronik speziell für den vertikalen Markt der EV-Ladelösungen entwickelt, basierend auf einer Entwicklung für den Initialkunden Qwello. Das Unternehmen betreibt in mehreren deutschen und europäischen Städten und Regionen Ladeinfrastruktur, wobei es kommunale Partnerschaften über öffentliche Konzessionsverträge eingeht und sowohl Ladeinfrastruktur als auch Ladedienstleistungen anbietet. Für seine neue Ladestation CP22 benötigte Qwello eine Ladeelektronik, die AC-Laden mit bis zu 22 kW Leistung an zwei Ladeanschlüssen gleichzeitig ermöglicht und gemäß deutschem Eichrecht zertifiziert werden kann.
Die Ladesäule CP22 von Qwello nutzt einen Ladecontroller, den Phytec und Pionix gemeinsam entwickelt haben.
Die Bedienung sollte über ein geteiltes Display und Bezahlterminal für zwei parallele Ladevorgänge erfolgen. Als Besonderheit verfügt die Ladesäule über Parksensoren, die Falschparker erkennen. Das ermöglicht einen Rückschluss, ob die Säule frei ist, auch wenn kein Ladevorgang stattfindet. Dazu ist die Ladestation in eine Cloudanwendung mit App eingebunden. LEDs zeigen den Status direkt sichtbar an der Säule an. Als weitere Anforderung an die Elektronik sollten alle Komponenten in einer minimalistischen, schlanken Säule untergebracht werden, die sich ins Stadtbild einfügt und für beengte öffentliche Parkräume optimiert ist.
Entwicklung auf Basis bewährter Komponenten
Um diese Anforderungen erfüllen zu können, erstellte Phytec gemeinsam mit Pionix, einem Entwickler und Anbieter von OpenSource Softwarelösungen für EV-Charger, eine Spezifikation auf Basis des vielfach bewährten System on Modules phyCORE-AM62x mit Texas Instruments Prozessor. Es bietet die geforderte Unterstützung für zwei Displays, zahlreiche Schnittstellen für die Einbindung von Sensorik und Peripherie sowie einen dedizierten Microcontroller, der den sicherheitskritischen Ladevorgang steuern kann. Auf der Basisplatine stehen neben den beiden AC-Ladeausgängen Gigabit Ethernet, Dualband-WLAN, BLE und ein LTE-Modul sowie Modbus und CAN FD zur Verfügung. Für die Übereinstimmung mit Security-Anforderungen, insbesondere auch im Hinblick auf den Cyber Resilience Act, ist ein Trusted-Platform-Module (TPM 2.0) auf der Platine bestückt.
Software unterstützt alle gängigen Ladeprotokolle
Für den Hauptprozessor der Elektronik kommt ein angepasstes Phytec Board-Support-Package auf Basis von Yocto-Linux zum Einsatz, in Verbindung mit einem ladespezifischen EVerest-Layer. Der Software-Stack unterstützt alle gängigen Ladeprotokolle wie Plug and Charge / ISO 15118, Autocharge und EIM/RFID-Leser, verfügt über ein integriertes Energiemanagement mit Lastausgleich und ermöglicht die Authentifizierung und Zahlung über die gängigen Standards OCPP 1.6J und OCPP 2.0.1. Weitere Ladesäulen-spezifische Technologien wie Backup-Stromversorgung, Schutz vor Gleichstrom-Erdfehlern und Unterstützung für automatische Steckerverriegelung sind ebenfalls integriert. Die Safety-kritische Firmware zur Ladesteuerung für den Microcontroller wurde von Pionix entwickelt.
Die Ladesoftware BaseCamp von Pionix integriert bereits zahlreiche Protokolle für EV-Ladetechnik - und wird kontinuierlich weiterentwickelt.
Prototyp in 6 Monaten
Die Spezifikation für den Qwello Ladecontroller erfolgte im Juni 2023. Im November – nach nur sechs Monaten Entwicklungszeit – erfolgte die Übergabe der ersten Prototypen, die erfolgreich die TÜV-Zulassung erhielten. Nach geringfügigen Anpassungen ist der Serienstart für die Elektronik der neuen Ladesäulengeneration von Qwello nun für das 3. Quartal dieses Jahres geplant.
Holger Rapp, CTO von Qwello, ist mit dem Ergebnis mehr als zufrieden:
„Wir sind begeistert von der Zusammenarbeit mit Phytec und Pionix. Nach nur 6 Monaten Entwicklungszeit haben wir die ersten Ladecontroller erhalten. Das und die abgestimmte Plattform aus Hardware und Software haben unsere Zeit zur Marktreife deutlich verkürzt."